Sapere aude – Ein frischer Blick auf unsere neue Realität

Home-Word für den 26. April 2020 von Benedikt Höttemann

Das Leben hat sich verändert. Die Unbekümmertheit und Ausgelassenheit sind
dahingeschwunden. Abstand, Verkrampfung, Ungewissheit, Sorgen und Infektionszahlen
prägen unseren Alltag. Der Gedanke an eine abstrakte Gefahr drängt sich vehement und
erbarmungslos auf. Es ist unausweichlich. Etwas, das man bei aller Akribie einfach nicht
greifen kann.
Sichtbar ist es aber irgendwie doch. Es gibt grelle, aufdringliche Markierungen auf dem Boden
in einem exakt abgemessenen Zweimeterabstand. Kunden werden nur noch vereinzelt in
Geschäfte gelassen. Gehen sie dennoch grüppchenweise, werden sie denunzierend vom
nächsten Kunden zurechtgewiesen. An der Kasse hängen Hygienevorhänge und immer mehr
Menschen tragen Schutzmasken. Etwas, das man doch eigentlich nur aus sterilen OP-Sälen
kennt. Ich weiche aus. Ich halte die Luft an. Ich gehe den umständlichen, weniger
frequentierten Weg. Ich muss Husten. Ich beiße die Zähne zusammen. Ich unterdrücke es.
Bei genauerem Hinsehen, entdeckt man aber doch auch vieles Schöne. Dinge, die dem
stressigen Alltagsleben verwehrt bleiben. Aber es gibt sie doch. Eine wunderbare Welt.
Rücksichtnahme, Behutsamkeit, Achtsamkeit und Verlangsamung in einem doch sonst so
schnelllebigen, schweißtreibenden, zermürbenden täglichen Trott finden ihren Platz.
Interessante, bereichernde Gespräche mit Menschen, denen ich sonst nie begegnen würde.
Das Wetter ist schön. Strahlend blauer Himmel.
Ich habe Zeit. Zeit innezuhalten. Nachzudenken. Zu entschleunigen. Unseren Alltag in Frage
zu stellen. Zu reflektieren und neu zu justieren. Zu verbessern. Hoffnung zu haben.
Gemeinsam werden wir der Krise Trotz bieten und gestärkt daraus hervorgehen. Auf dem
Weg dorthin wünsche ich uns allen, den Blick auf die schönen Dinge, die uns ausmachen, nie
zu vergessen.
Haben wir den Mut, uns unseres Verstandes zu bedienen und wir werden klarer sehen.