Selbst denken. SchülerInnen schreiben philosophische Essays

Ein Essay ist ein diskursiver Text, in dem sich der Autor kompetent und überzeugend mit einer philosophischen Fragestellung befasst. Relevanz und Verständnis, Überzeugung, Stimmigkeit und Originalität gelten als zentrale Kriterien.

Ausgehend von der Universität Sofia (Bulgarien) entwickelte sich seit 1989 die Internationale Philosophie-Olympiade (IPO) als Schülerwettbewerb, an dem aktuell neben Deutschland über 40 Länder teilnehmen. Die zwei deutschen Vertreter werden unter den bundesweit besten 26 Schülerinnen und Schülern ermittelt, die sich in der „Winterakademie“ in Münster treffen und wieder eigene Essays unter Klausurbedingungen in einer Fremdsprache schreiben. Portugal ist diesmal Gastgeber der IPO 2020, die in Lissabon stattfinden wird.

Um an der Winterakademie teilzunehmen, schrieben Schülerinnen und Schülern der Ethik- und Philosophiekurse (ab Stufe 10) insgesamt 76 Beiträge [Neuer Rekord!], von denen die besten 14 Essays an die Landesjury in Mainz eingereicht wurden. Folgende Autorinnen und Autoren konnten besonders überzeugen:

Mara Ehring (10c), Jennifer Bertels, Benjamin Hoppen, Julius Jorde, Vanessa Nguyen, Tom Nikolaus und Linda Stöckel (alle Stufe 11), Imad Chawki, Joshua Jost, Annika Jünger, Vanessa Kasto, Valerie Simon, Lea Rieser und Alperen Yaman (alle Stufe 13)

Eine Leseprobe für Interessierte!
Und noch eine weitere Leseprobe!

Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt wirklich hervorragende Texte gestaltet.

 

Aus vier Themenvorschlägen konnten die Teilnehmer auswählen:

I.
Ist all unser Handeln egoistisch?

II.
„Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist, oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen. (…) Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke, und sagte: Vater gibt! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!“ (Aus: Gotthold Ephraim Lessing: Eine Duplik [= zweite Erwiderung]. In: Lessing, Werke, Achter Band. München 1979, S. 32f.)

III.
„Gegen den Positivismus, welcher bei dem Phänomen stehen bleibt „es giebt nur Thatsachen, würde ich sagen: nein, gerade Thatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen. Wie können kein Factum „an sich“ feststellen: vielleicht ist es ein Unsinn, so etwas zu wollen.“  (Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Ende 1886-Frühjahr 1887. Kritische Studienausgabe Band 12. München 1980, S. 315.)

IV.
„Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern. Das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. (…) Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden.“       (Dietrich Bonhoeffer: Von der Dummheit (1943). In: Widerstand und Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. von Eberhard Bethge. Gütersloh 1985, S. 14f.)

Im Oktober 2020 startet der nächste philosophische Essaywettbewerb, der im Rahmen der historisch-philosophischen Schreibwerkstatt am Eichendorff-Gymnasium begleitet wird. Herzlichen Dank für die freundiche Unterstützung an Birgit Baumann.

Oliver Simon