ERITREA-AG

Kennt ihr Eritrea?

Wir nur aus den Nachrichten über in Italien ankommende Schlepperboote und die ständigen Diskussionen über das Flüchtlingsproblem in Deutschland. Doch was im Fernsehen nur durch unglaublich hohe Zahlen zum Ausdruck gebracht wird, erlangt hier in Koblenz ein Gesicht.

Auf dem SV-Seminar des Eichendorff-Gymnasiums erfuhren wir erste Informationen über die Lebensumstände und den Alltag der Flüchtlinge aus Eritrea in unserer Stadt. Frau Scherer, welche ehrenamtlich Hilfe leistet, berichtete uns von schrecklichen Bedingungen, unter denen die Eritreer die Flucht vor ihrem totalitären Staatssystem ergreifen.

Anstatt jedoch nach der bis zu 2 Jahre andauernden Flucht durch die Sahara, Libyen und über das Mittelmeer mit offenen Armen empfangen zu werden, erwartet die Flüchtlinge in einem der drei Koblenzer Asylheime ein Leben auf engstem Raum. Jede Menge Vorurteile und nur ein geringer Geldzuschuss des Staates, der es einem unmöglich macht zu leben, sondern nur das Überleben sichert.

Wir stellten uns die Frage, wie wir am besten aktiv helfen können, und gründeten mit dieser Absicht die Eritrea-AG. Wie uns Frau Scherer mitteilte, sind soziale Kontakte am wichtigsten, weshalb wir beschlossen, verschiedene Aktionen zu planen, z.B. zusammen ins Schwimmbad zu gehen, zu picknicken, Fußball zu spielen etc.. Da die nicht vorhandenen Sprachkenntnisse in Deutschland ein Hindernis sind, besteht zusätzlich die Möglichkeit dienstags und freitags den Deutschunterricht zu unterstützen und in kleinen Gruppen zu sprechen, neue Dinge beizubringen und generell die andere Kultur kennenzulernen. Auch unser Deutsch-LK der 11. Jahrgangsstufe, geleitet von Herr Dr. Löhnert, stattete den Eritreern einen Besuch ab.

Mit Händen und Füssen bemühten wir uns Fremdworte zu erklären, es wurde viel gelacht und die Atmosphäre war toll. Das Dauerlächeln und die häufig verwendeten Worte "isch biin glucklich", machte uns erst bewusst, wie wenig es braucht, einem Menschen eine Freude zu bereiten.
Wenn auch ihr Interesse bekommen habt, zu helfen und euch aktiv für die Menschen aus Eritrea einzusetzen, achtet nach den Ferien auf unseren Aushang der Eritrea-AG, jede Hilfe ist willkommen, wir freuen uns auf eure Unterstützung.

(Von Jana Baumgärtner / Malin Schnepper, MSS 11)
 

Kommunikation – interkulturell

Wir hatten Goethes „Werther“ besprochen und Grundzüge der deutschen Klassik, waren gerade beim Thema Kommunikation. Was ist das, wie geht das, welche Anteile hat die Sprache des Körpers, die Sprache der Worte? Wir spielten „Speeddating” face to face, face to back, back to back. Was macht das aus, wenn man den Gesprächspartner nicht sieht, nur hört? Anschließend hatte ich mir den Theoretiker Schulz von Thun vorgenommen.

Da kamen in einer kleinen Pause zwei Schülerinnen zu mir mit der Bitte, mit dem Deutschkurs einmal den Deutschunterricht eritreischer Flüchtlinge zu besuchen. Sie hätte im SV Seminar darüber erfahren und fänden das wichtig, schließlich wäre das ja auch Deutschunterricht. Statt Theorie der Kommunikation also nochmal praktische Kommunikation, und zwar diesmal interkulturell. Ich war einverstanden, der restliche Kurs ebenfalls.

So zogen wir am Dienstag, 7.7.2015 los zum Löhrrondell. Wir trafen Frau Scherer mit etwa 40 Flüchtlingen aus Eritrea beim Deutschunterricht an. Wir bildeten Kleingruppen, sodass im Endeffekt meist 2 oder 3 LK-Schülerinnen/schüler mit 2 bis 3 Eritreern (überwiegend Männern) zusammensaßen. Und dann begann sie, unsere interkulturelle Kommunikation.

Der Anfang war mühsam. Das Deutsche lief noch nicht, öfter mussten wir ins Englische ausweichen. Trotzdem waren Äußerlichkeiten wie Namen, seit wann in Deutschland, Wohnort, Beruf rasch geklärt. Doch wir wollten mehr wissen. Und so fragten wir unsere Gesprächspartner: Wie ist die Lage in Eritrea? Warum wollten Sie fort? Wo leben ihre Verwandten jetzt? Gibt es telefonischen Kontakt? Wie verlief die Flucht? Wie lange dauerte diese? Schritt für Schritt enthüllten meine freundlichen Gesprächspartner („Möchten Sie Chai, Tee“?) Aspekte ihrer Odyssee. Das Leben unter dem Regime in Eritrea. Den Entschluss zur Flucht. Den Weg durch die Sahara. Angst und Verzweiflung in Lybien, wo diejenigen, die als Christen entlarvt werden, geköpft werden können. Die Versprechen der Schlepper („very good boat, very new“), die horrenden Preise und den Horror der Überfahrt im restlos überfüllten, uralten Boot. Italien, Frankreich. Wie man Grenzen ohne Papiere überwindet. Wie viele der Mitgeflohenen gestorben sind, verdurstet, verhaftet, ertrunken. „Ich habe nur noch das hier, was ich anhabe“, sagte mein Gesprächspartner und wies auf T-Shirt und Jeans. Ich war sprachlos.

Zwischendurch Blicke auf meine Schülerinnen und Schüler, die sich eifrig, interessiert und mit guter Stimmung in die Gespräche begaben. Es wurde mit Händen und Füßen geredet und auch viel gelacht.

Mit Frau Scherer sprach ich über Probleme des Unterrichts in Deutsch als Fremdsprache: Fast 40 Teilnehmer, die kein Buch haben, nur Kuli und Papier, sehr unterschiedliche Hintergründe und Begabungen. Natürlich kommen nicht alle so zum Sprechen. Sie bat die Schüler und mich bei Gelegenheit dienstags oder freitags zwischen 8 und 13 h vorbeizukommen, dann könne sie mal die Gruppe aufteilen. Am Ende gab es einen Fototermin und die Bitte, bald wieder vorbeizukommen.

Fazit: Dieser Besuch war mehr als ein Besuch. Es war ein Einblick in Lebensgeschichten von Menschen, die um den halben Globus geflohen sind, um Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung zu erlangen. Alles Dinge, die wir als selbstverständlich ansehen. Viele andere sind unterwegs umgekommen. Gemeinsam mit den Schülern stehe ich vor der Frage, wie ich diejenigen, die bei uns gelandet sind, unterstützen kann.

(Von Dr. Paul Löhnert)