Goethes „Faust“ 2013

Wenn es um die Behandlung von Goethes „Faust“ geht, schlagen in der Brust manches Deutschlehrers zwei Seelen: Zum einen ist dies vielleicht DAS Drama der deutschen Literatur, das jeder unbedingt kennen sollte. Zum anderen jedoch ist das ein Koloss, der schwer zu stemmen ist. Es gibt allein vier Fassungen, unzählige Inszenierungen, Hintergründe, Textbezüge. Kann dieser Dramenkomplex, an dem Goethe über 60 Jahre seines Lebens arbeitete, im eng getakteten MSS-Plan, zumal im Deutsch–Grundkurs, angemessen behandelt werden?

Der Deutsch GK d1 Dr. Löhnert war im September 2013, vor diese Frage gestellt, recht bald einer Meinung: Ja, wir wollen das machen! Schon bald geht unsere Schulzeit zu Ende und wann werden wir dann noch Gelegenheit haben, uns intensiv mit dem „Faust“ zu befassen?

Begünstigend kam von Anfang an hinzu, dass „Faust 1“ am 6.9.2013 im Stadttheater Koblenz Premiere hatte und dass die Aussicht bestand, die Besprechung im Klassenzimmer mit dem Besuch der Aufführung zu verknüpfen.

Und so begaben wir uns „vom Himmel durch die Welt zur Hölle“ (Vers 242): Wir lernten Faust, den Wissbegierigen, kennen,  der keine Grenzen ertragend, sich der Magie hingibt, um zu erkennen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ (Vers 382f.) Mephistopheles, seinen teuflischen Widerpart. Das bürgerliche Gretchen, das von einem fremden Mann auf der Straße angeredet wird. Frau Marthe. Geister, die herbeikommen, Hexen, die verjüngende Zaubertränke bereiten, himmlische und irdische Geister, die in der Walpurgisnacht enthemmte Orgien feiern… Für die Schülerinnen und Schüler besonders zugänglich: Faust und Margarete. Hier der entflammte Mann, dort das noch unerfahrene und junge Mädchen. Dialoganalyse. Sprechakte. Welche sprachlichen Handlungen, welche Intentionen stehen eigentlich hinter den gesprochenen Worten? Kursarbeit über die Szene mit der berühmten „Gretchenfrage“, am 5.11.2013 Theaterbesuch. Eine moderne Inszenierung, was sollte der Fernseher, warum spielt in der Szene „Vor dem Tor“ ein Superman mit? Warum gibt es zwei Fausts, auch zwei Mephistos? Fragen, auch Irritationen. Das steht doch so gar nicht im Stück! Und wo war eigentlich die Szene „Auerbachs Keller“? Am 3.12.13 Besuch der Theaterreferentinnen Frau Junglas und Frau Riecke. Erneut Fragen, Diskussionen um „Faust“, um den Koblenzer „Faust“. Nicht alles kann geklärt werden. Aber es ist gut, mal von der anderen Seite auf das Stück zu gucken: Was schien dem Regieteam um den Intendanten Markus Dietze aktuell? Was wollten sie herausstellen? Welche Ideen und Motive sollten sich durch die Inszenierung ziehen?

 

Fazit: Zweieinhalb Monate „Faust 1“. Lesen, Analysieren, Zeichnen. Schauen, Nachspielen, Modernisieren. Diskutieren, ins Theater gehen, ins Gespräch kommen.

Haben wir den „Faust“ nun erschöpfend bearbeitet? Nein. Aber gelohnt hat es sich allemal.

Dr. Paul Löhnert