Selbst denken. SchülerInnen schreiben philosophische Essays

Ein Essay ist ein diskursiver Text, in dem sich der Autor kompetent und überzeugend mit einer philosophischen Fragestellung befasst. Relevanz und Verständnis, Überzeugung, Stimmigkeit und Originalität gelten als zentrale Kriterien.

Ausgehend von der Universität Sofia (Bulgarien) entwickelte sich seit 1989 die Internationale Philosophie-Olympiade (IPO) als Schülerwettbewerb, an dem aktuell neben Deutschland über 40 Länder teilnehmen. Die zwei deutschen Vertreter werden unter den bundesweit besten 26 Schülerinnen und Schülern ermittelt, die sich in der „Winterakademie“ in Münster treffen und wieder eigene Essays unter Klausurbedingungen in einer Fremdsprache schreiben. Italien ist diesmal Gastgeber der IPO 2019, die in Rom stattfinden wird.

Um an der Winterakademie teilzunehmen, schrieben Schülerinnen und Schülern der Ethik- und Philosophiekurse (ab Stufe 11) insgesamt 27 Beiträge, von denen die besten sechs Essays an die Landesjury in Mainz eingereicht wurden. Folgende Autorinnen und Autoren konnten besonders überzeugen:

Lotte Jung, Annika Jünger, Vanessa Kasto, Teresa Oster, Valerie Simon und Alperen Yaman (alle Stufe 12)

Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt wirklich hervorragende Texte gestaltet. Aus vier Themenvorschlägen konnten die Teilnehmer auswählen:

I. „Wer in Europa fordert, der Islam müsse eine Phase der Aufklärung durchlaufen, sollte darauf achten, dass die Aufklärung nicht selbst zum Mythos wird und [sollte] zuerst unseren eigenen Aufklärungsbegriff kritisch reflektieren.“
(Der Islamwissenschaftler Ulrich Rudolph in der Süddeutschen Zeitung Nr. 258, Dienstag 8. November 2016, S. 13)

II. Führt Wissen zur Macht?

III. „Dass ich meinen Schultern eine so große Last aufgebürdet habe, geschah (…), weil ich wusste, dass das Besondere an solchen, also wissenschaftlichen Kämpfen darin besteht, dass es sogar Gewinn bedeutet, dabei zu unterliegen. (…) Denn wer unterliegt, empfängt vom Sieger eine Wohltat, nicht einen Schaden; mit dessen Hilfe nämlich kehrt er nach Hause reicher zurück, das heißt gescheiter, und besser gerüstet für künftige Gefechte.“
(Giovanni Pico della Mirandola: Rede über die Würde des Menschen. 1496. Übersetzt von Gerd von der Gönna. Stuttgart [Reclam] 1997, S.45f.)

IV. „Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst.“ (Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften. 1809. Herausgegeben von Erich Trunz [= Hamburger Ausgabe Band 6]. München 1981, S.398. Hinweis: Der Satz stammt aus „Ottiliens Tagebuch“. Ottilie ist eine der beiden weiblichen Hauptfiguren des Romans.)

Im Oktober 2019 startet der nächste philosophische Essaywettbewerb, der im Rahmen der historisch-philosophischen Schreibwerkstatt am Eichendorff-Gymnasium begleitet wird.

Oliver Simon